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Elektropolieren nichtrostender Stähle

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Euro Inox.

Autor: Alenka Kosmač, Brussel (B)

Titelfoto: Packo Surface Treatment, Diksmuide (B)

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Grundlagen
  3. Verfahrensschritte
    3.1 Vorbereitung der Metalloberfläche
    3.2 Elektropolieren
    3.3 Nachbehandlung
  4. Elektropolieren im Vergleich zu anderen Oberflächenbehandlungstechnike
    4.1 Mechanisches Polieren
    4.2 Galvanisieren
  5. Ausschreiben elektropolierter Oberflächen
  6. Typische Anwendungen
  7. Glossar
  8. Literatur

1 Einleitung

Das Elektropolieren ist ein elektrochemisches Oberflächenbehandlungsverfahren (siehe Kasten), beim dem Metallionen elektrolytisch von der Werkstoffoberfläche abgetragen werden [1]. Der primäre Zweck liegt darin, Mikrorauigkeit zu verringern. Dadurch vermindert sich die Gefahr, dass Schmutz oder Produktrückstände anhaften, maßgeblich. Die Reinigbarkeit wird verbessert. Das Elektropolieren wird auch zum Entgraten, Glänzen und passivieren eingesetzt.

Das Verfahren sorgt für eine metallurgisch reine Oberfläche ohne Störstellen. Mögliche unerwünschte Nebenwirkungen, die bei der mechanischen Bearbeitung auftreten können – z.B. mechanische oder thermische Belastungen, das Eindrücken von Partikeln und eine Aufrauhung der Oberfläche – werden vermieden oder sogar wieder aufgehoben. Die einer Werkstoffsorte innewohnende Korrosionsbeständigkeit wird vollständig ausgeschöpft. Daher ist das Elektropolieren in Branchen, in denen Korrosionsbeständigkeit und Reinigbarkeit von besonderer Bedeutung sind, ein Standardverfahren. Typische Anwendungen finden sich in der Pharmaindustrie, in der Biochemietechnik oder in der Lebensmittelverarbeitung.

Da vom Elektropolieren keine mechanischen, thermischen oder chemischen Belastungen ausgehen, können auch kleine und empfindliche teile auf diese Weise behandelt werden. Das Elektropolieren eignet sich für teile nahezu jeder Größe oder Form.

Chemische Oberflächenbehandlung: Was – wann – wofür?
Es gibt verschiedene Verfahren der chemischen Oberflächenbehandlung. Sie alle dienen letztlich dazu, eine metallisch reine Oberfläche zu erzielen. Auch wenn sich ihre Wirkungen überlappen, dienen sie jedoch jeweils deutlich unterschiedlichen Zwecken.
Beizen
Das Beizen entfernt oxide, insbesondere Anlauffarben (im Schweißnahtbereich) oder andere Verfärbungen sowie Korrosionsprodukte. Es ergibt eine metallisch reine Oberfläche, welche die Voraussetzungen dafür schafft, dass die für nichtrostende Stähle charakteristische Selbstpassivierung stattfinden kann. Beizbäder enthalten zumeist Salpetersäure und Flusssäure. Die Behandlungsdauer hängt von der Badtemperatur und vom Grad der Oberflächenverunreinigung ab.
Passivieren
Nichtrostender Stahl passiviert normalerweise bei Anwesenheit von Sauerstoff aus Luft oder Wasser selbsttätig. Allerdings kann es einige Tage dauern, bis die Passivschicht ihre volle Dicke erreicht hat. Eine chemische Passivierungsbehandlung beschleunigt die Entstehung der Passivschicht. Sie stellt sicher, dass sie sich schnell und unter kontrollierten Bedingen vollständig ausbildet. Die Behandlung wird in verdünnter Salpetersäure vorgenommen, wobei die Behandlungsdauer zwischen 15 Minuten und einer Stunde variieren kann.
Fremdrostentfernung bzw. Säurereinigung
Hierbei werden Fremdeisenpartikel entfernt, die, wenn sie auf der Oberfläche verblieben, korrodieren würden. Diese können in Form von Schleifstaub, Abrieb oder Flugrost z.B. von Baustahlarbeiten in der Umgebung ausgeben 1.
Elektropolieren
Das Elektropolieren wird bei reinen metallischen Oberflächen angewandt. Es verringert die Mikrorauigkeit und hat gleichzeitig weitere günstige Wirkungen, die nachstehend beschrieben werden. Das Verfahren basiert auf der Elektrolyse, wobei ein Strom eine Lösung aus zumeist Schwefelsäure und Orthophosphorsäure durchfließt. Die Behandlungsdauer liegt üblicherweise zwischen 2 und 20 Minuten.

1 CROOKES, Roger, Beizen und Passivieren nichtrostender Stähle, Luxemburg: Euro Inox, 2. Auflage 2007 (Reihe Werkstoff und Anwendungen, Band 4).

2 Grundlagen

Das Elektropolieren entfernt Metall von einer Oberfläche, indem ein elektrischer Strom an ein Werkstück angelegt wird, das in einen geeigneten Elektrolyten eingetaucht ist. Das Verfahren stellt eine Umkehrung des Galvanisierens dar, bei dem Metallionen aus einer Lösung an den Werkstoff angelagert werden. Beim Elektropolieren wird demgegenüber das Werkstück abgetragen und die ionen gehen in die Lösung über.

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Das Elektropolieren dient auch der Entgratung - speziell bei Teilen, die sich nur schwer mechanisch bearbeiten lassen. Fotos: Poligrat, München (D)

Eine Elektropolieranlage ähnelt in ihrem Aufbau einer Galvanisiereinrichtung. Eine Stromquelle liefert Gleichstrom von geringer Spannung. Die Bäder befinden sich in Behältern, die aus Kunststoff bestehen oder mit Blei ausgekleidet sind. Mehrere Kathoden aus Blei, Kupfer oder nichtrostendem Stahl werden in das Bad eingetaucht und mit dem Minuspol der Stromquelle verbunden. Das Werkstück (bzw. die Werkstücke) wird (werden) an einem Korb befestigt, der aus Titan, Kupfer oder Bronze besteht und an den Pluspol der Stromquelle angeschlossen wird.

Das Werkstück ist an den Pluspol der Stromquelle angeschlossen (stellt also die Anode dar), während der Minuspol mit einer Elektrode (der Kathode) verbunden ist. Beide werden in den Elektrolyten eingetaucht. Wird Gleichstrom angelegt, entsteht ein geschlossener Stromkreis.

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Das Werkstück bildet in dem elektrolytischen Prozess die Anode, so dass von dessen Oberfläche Metall abgetragen wird [3].

Wie aus der umseitigen Illustration ersichtlich, wird das positiv geladene (anodische) Werkstück in das Bad eingetaucht. Sobald Strom fließt, fungiert der Elektrolyt als Leiter und bewirkt, dass Metallionen vom Werkstück abgetragen werden. Die Ionen bewegen sich auf die Kathode zu; der größte Teil des gelösten Metalls verbleibt dabei in der Lösung. Teils werden die Ionen in Form von Schlamm auf den Kathoden abgelagert, die daher regelmäßig gereinigt werden müssen, um wirksam zu bleiben. Auf dem Werkstück wird Sauerstoff freigesetzt, der die Wirkung des Elektrolyten unterstützt.

Der Metallabtrag ist dem angelegten Strom, der Wirksamkeit des Elektrolyten und der Behandlungsdauer proportional. Beim Elektropolieren liegen an Graten und anderen vorstehenden Unregelmäßigkeiten erhöhte Stromstärken an, so dass diese bevorzugt abgetragen werden. Die Verfahrensparameter werden so eingestellt, dass die Abmessungstoleranzen eingehalten werden.

Im Falle des nichtrostenden Stahls ist zu beachten, dass die verschiedenen Legierungsbestandteile mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in Lösung gehen. Eisen- und Nickelatome lösen sich leichter aus dem Kristallgitter als Chromatome. Durch die bevorzugte Herauslösung von Eisen und Nickel entsteht eine chromreiche Oberfläche. Dieses Phänomen beschleunigt und verbessert die Passivierung elektropolierter Oberflächen [2].

Die Tatsache, dass das Elektropolieren ein verzugsfreies Verfahren ist, wird häufig nicht hinreichend gewürdigt. Die Werkstücke werden beim Elektropolieren weder mechanischen noch thermischen Belastungen ausgesetzt, sie werden auch nicht umgewälzt und stoßen nicht aneinander [4].

Die Ergebnisse lassen sich mit hoher Genauigkeit reproduzieren, so dass auch Teile, die enge Toleranzen einhalten müssen, ergebnissicher behandelt werden können 2.

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Mikroskopische Ansicht vor und nach dem Elektropolieren: das Verfahren führt zu einer metallisch reinen Oberfläche. Fotos: Poligrat, München (D)

2 Bei sachgerechter Prozessführung und Arbeitsorganisation werden Sicherheitsrisiken ausgeräumt. Fachfirmen sind darauf eingestellt, eine ordnungsgemäße Abluftbehandlung vorzunehmen sowie Rest- und Abfallstoffe, etwa verbrauchte Säuren, ordnungsgemäß zu entsorgen.

3 Verfahrensschritte

Um auf nichtrostendem Stahl bestmögliche Ergebnisqualität zu erzielen, muss die Behandlung in der Regel drei Schritte umfassen [5]:

  • Vorbereitung: Entfernung von Ölen, Fetten, Oxiden und anderen Verschmutzungen, die ein gleichmäßiges Elektropolieren behindern würden.
  • Elektropolieren: Glätten, Glänzen und Entgraten des Werkstücks.
  • Nachbehandlung: Entfernung von Resten des Elektrolyten sowie von Reaktionsprodukten, ferner Trocknung des Metalls zur Vermeidung von Flecken.

Jeder dieser Verfahrensschritte kann u.U. mehrere hintereinandergeschaltete Bäder erfordern, um das gewünschte Resultat zu erzielen.

Die nachstehende schematische Darstellung zeigt die Grundzüge des Ablaufs:

Elektropolierprozes
VORBEHANDLUNG
Reinigung
Spülen
Beizen
Spülen
ELEKTROPOLIEREN
Elektropolieren
Abtropfen / neutralisieren
Spülen
NACHBEHANDLUNG
Salpetersäurebehandlung
Spülen
Heißspülen
Trocknen

3.1 Vorbereitung der Metalloberfläche

Die Vorbereitung der Metalloberfläche umfasst zwei Schritte: Reinigung / Entfettung in einer alkalischen Lösung oder einem Lösemittel sowie anschließende Beizbehandlung, sofern – etwa im Schweißnahtbereich – Anlauffarben vorhanden sind.

Die Behandlung in alkalischen Lösungen bzw. Lösemitteln dient dem Ziel, jegliche Spuren von Öl, Fett, Fingerabdrücken oder anderen Schmierfilmen zu beseitigen, die nach der Verarbeitung darauf verblieben sind. Verschmutzungen würden ansonsten die Ergebnisqualität des Elektropolierens ungünstig beeinflussen, was insbesondere für kritische Anwendungen in der Medizin-, Pharma- und Halbleitertechnik inakzeptabel wäre. Nach diesem Bearbeitungsschritt sollten jede weitere Berührung und jeder weitere Kontakt mit Werkzeugen vermieden werden. Sauberkeit ist oberster Grundsatz jeder Oberflächenbehandlung. Fehler in diesem Bereich sind die häufigste Ursache für Reklamationen.

Eine Zwischenspülung verfolgt zwei Ziele: zum einen die Entfernung von Rückständen des vorigen Bades durch Verdünnung und zum anderen Vermeidung von Badverschleppung in den nächsten Prozessschritt.

Eine Säurereinigungs- bzw. Beizbehandlung entfernt leichte Oxidschichten, die z.B. bei der spanenden Bearbeitung entstanden sein können, sowie Reste von Alkalien aus dem anfänglichen Reinigungsprozess.

Der Spüldurchgang nach der Säurereinigung verfolgt im Grundsatz dieselben Ziele wie jener nach der alkalischen Reinigung. Allerdings lassen sich saure Lösungen in der Regel deutlich leichter durch Abspülen entfernen als alkalische Rückstände. daher sind die Durchflussraten und / oder die Behandlungsdauer oft geringer.

3.2 Elektropolieren

Während des Elektropolierens wird Metall von der anodischen Elektrode gelöst und geht in Form eines löslichen Salzes in die Lösung über. Alle Legierungsbestandteile des nichtrostenden Stahls – Eisen, Chrom und Nickel – unterliegen dieser Reaktion gleichzeitig. Das Ergebnis ist eine kontrollierte Einebnung der Oberfläche. Gleichzeitig laufen verschiedene Nebenreaktionen ab. Sie lassen Reaktionsprodukte entstehen, die es im interesse der Ergebnisqualität zu kontrollieren gilt.

Ein typisches Elektropolierbad besteht aus gleichen Volumenanteilen von 96-prozentiger Schwefelsäure und 85-prozentiger Orthophosphorsäure. Die Prozessparameter:

  • Stromstärke: 5 A/dm2 bis 25 A/dm2
  • Temperatur: 40°C bis 75°C
  • Behandlungsdauer: 2 min bis 20 min
  • Kathoden: nichtrostender Stahl, Kupfer oder Blei

Das Abschlussbad fängt die Chemikalien aus dem vorigen Prozessschritt auf. Elektrolyte für nichtrostenden Stahl erfordern im Regelfall eine Neutralisierung mit Ätznatron (Natriumhydroxid oder Kalkmilch), wobei vergleichsweise große Mengen von Niederschlägen anfallen. Qualifizierte Fachfirmen stellen sicher, dass dabei die Umwelt-, Arbeitsschutz- und Sicherheitsanforderungen eingehalten werden.

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Qualifizierte Fachfirmen stellen sicher, dass die Umwelt- und Arbeitsschutzanforderungen eingehalten werden. Foto: Anopol, Birmingham (UK)

Beim Spülen ist zu beachten, dass die Elektropolier-Bäder dickflüssig sind und sich nur unwillig mit Wasser vermischen. Es ist darauf zu achten, dass keine Elektrolytreste auf den Werkstücken verbleiben und auftrocknen, da sie während der Lagerung die Oberflächen anätzen und verflecken würden. Daher sollte eine Heißspülung, die das Trocknen beschleunigt, nur dann vorgenommen werden, wenn sichergestellt ist, dass alle Elektrolytreste vollständig abgewaschen wurden.

3.3 Nachbehandlung

Eine Nachbehandlung mit Salpetersäure entfernt die beim Elektropolieren entstehenden Reaktionsprodukte. Diese bestehen zumeist aus Schwermetallphosphaten und -sulfaten, die mit Wasser allein nur schwer abzuschwemmen sind. Sie zu entfernen, ist allerdings wichtig, damit die Oberfläche später bei Lagerung und Gebrauch gleichmäßig, korrosionsbeständig und hygienisch bleibt.

Reste von Salpetersäure wiederum lassen sich mit kaltem Wasser entfernen, da sie besser wasserlöslich sind als alkalische Rückstände.

Bei der Heißwasserbehandlung dürfen sich keine Chemikalienreste mehr auf der Oberfläche befinden, denn sie würden sich im Wasser anreichern. Zweck dieses Verfahrensschrittes ist es auch, die Temperatur des Metalls so weit zu erhöhen, dass es vor der Entnahme aus dem Korb spontan trocknet.

Manche Werkstücke trocken nach der Heißwasserbehandlung nicht sofort vollständig ab. Trockenschleudern, Heißluftkammern und andere Trockengeräte können dazu dienen, die schnelle Verdunstung von Restfeuchtigkeit sicherzustellen und ein fleckenfreies Trockenresultat zu erzielen.

4 Elektropolieren im Vergleich zu anderen Oberflächenbehandlungstechniken

Obwohl sich elektropolierte, mechanisch polierte und galvanisierte Metalloberflächen auf den ersten Blick ähneln können, sind deren Einsatzbereiche und deren Funktionen grundsätzlich verschieden.

4.1 Mechanisches Polieren

Mechanisches Schleifen und polieren dient üblicherweise der Erzielung dekorativer Spiegelglanzoberflächen auf Endverbraucherprodukten und Architekturbauteilen. Diese Verfahren lassen sich sowohl unter Werkstatt- als auch unter Baustellenbedingungen 3 ausführen und eignen sich auch für Reparaturzwecke.

Allerdings können sie auch Spannungen in die Oberfläche des Werkstoffs einbringen. Hierdurch verändern sich dessen metallurgische Eigenschaften u.U. ungünstig und vermindern deren Eignung für spezielle Anforderungen. Zudem ist mechanische Oberflächenbehandlung oft arbeitsintensiv.

Mechanisch polierte Metalloberflächen weisen mikroskopische Kratzer, Spannungen, Metallabtrag und Schleifmittelrückstände auf. Elektropolierte Oberflächen sind frei von derartigen Störstellen. Sie zeigen die ursprüngliche, unverfälschte Kristallstruktur des metallischen Werkstoffes – ohne jene Veränderungen, welche die beim Schleifen und polieren stattfindende Kaltumformung unweigerlich mit sich bringt.

3 cf. VAN HECKE, Benoît, Mechanische Oberflächenbehandlung nichtrostender Stähle für dekorative Anwendungen, Luxemburg: Euro Inox 2006 (Reihe Werkstoff und Anwendungen, Band 6).

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Oberflächen von nichtrostendem Stahl: geschliffen (oben), mechanisch poliert (Mitte), elektropoliert (unten) Fotos: Poligrat, München (D)

Der Unterschied zwischen mechanisch polierten und elektropolierten Werkstücken ist für das ungeübte Auge oft kaum erkennbar, insbesondere wenn beide eine vergleichbare Rauigkeit aufweisen. Bei starker Vergrößerung werden jedoch die besonderen Eigenschaften der elektropolierten Ausführung deutlich. Behandlungen, die auf der Wirkung von Schleifmitteln oder anderen mechanisch abtragenden Verfahren beruhen, verändern unvermeidlich die Oberfläche, so schonend sie auch vorgenommen werden mögen.

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Oberflächenrauigkeit von mechanisch mit Korn 400 geschliffenem (oben) nichtrostendem Stahl im Vergleich mit einer mechanisch mit Korn 120 geschliffenen und anschließend elektropolierten Ausführung; beide haben denselben Ra-Wert. Foto: Poligrat, München

Die Unterschiede betreffen nicht allein die Oberflächentopographie; die durch die Kaltumformung bedingten Veränderungen der Werkstoffeigenschaften setzen sich bis deutlich in den Grundwerkstoff hinein fort. Auch können Schleifmittelteilchen in die Oberfläche eingedrückt werden. Die Festigkeit der Oberfläche erhöht sich örtlich aufgrund der Spannungen, die durch die Bearbeitung verursacht werden.

Bei optimaler Abstimmung von Stromstärke, Temperatur und Badzusammensetzung lassen sich glatte und defektfreie Oberflächen erzielen. Das Elektropolieren ist dem mechanischen Polieren insofern technisch überlegen, als es keine Fremdstoffe involviert und die erzielten Oberflächen passiv und somit optimal korrosionsbeständig sind [6].

4.2 Galvanisieren

Hochglänzende Oberflächen können auch durch Verchromen und Vernickeln anderer Werkstoffe, z.B. von unlegiertem Stahl, erzielt werden. Allerdings sind diese metallischen Überzüge selten auf mikroskopischer Ebene fehlerfrei. Außerdem können sie absplittern oder abgerieben werden, so dass der Grundwerkstoff bloß liegt und korrodieren kann [3]. Aus diesem Grund stellt das Verchromen in aller Regel keine Alternative zum Elektropolieren dar.

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Das Elektropolieren eignet sich auch für komplex geformte Bauteile. Foto: Packo Surface Treatment, Diksmuide (B)

Bei Zierteilen für Autos wird zuweilen auch nichtrostender Stahl verchromt. in diesem Fall dient ein dünner Chromüberzug lediglich der optischen Angleichung an teile aus verchromtem unlegiertem Stahl. Die Korrosionsbeständigkeit des nichtrostenden Stahls wird durch solche Verchromungen nicht weiter verbessert.

5 Ausschreibung elektropolierter Oberflächen

In einer Reihe von Branchen ist das Elektropolieren als abschließende Bearbeitungstechnik für eine Reihe von metallischen Werkstoffen die Regel, weil es die Oberflächenqualität verbessert, rückstandsfrei ist und haftungsmindernd wirkt – oder auch aus ästhetischen Gründen. Ist das Ziel lediglich ein verbessertes Aussehen, reicht als Qualitätskontrolle zumeist die visuelle Beurteilung aus. Bei höchsten Anforderungen, die eine umfassende Dokumentation und Rückverfolgbarkeit erforderlich machen, ist dagegen eine mikroskopische Untersuchung unerlässlich.

Eine hochglanzpolierte Oberfläche (im englischsprachigen Raum auch als “no 8 mirror finish” bezeichnet) mag für das ungeübte Auge genauso aussehen wie eine elektropolierte; beide können auch denselben Rauigkeitswert (als arithmetischer Mittelwert Ra 4 – oder als quadratischer Mittelwert RMS (root mean square) der Messwerte eines Profilometers) aufweisen – und doch lassen elektronenmikroskopische Aufnahmen deutliche Unterschiede hervortreten. Die elektropolierte Oberfläche ist frei von Störstellen, während auf der mechanisch hochglanzpolierten Oberfläche mikroskopische Kratzer, eingedrückte Schleifpartikel sowie Poliermittelrückstände erkennbar werden.

Messungen der Oberflächenrauigkeit lassen keine unmittelbare Aussage darüber zu, wie leicht sich elektropolierte Oberflächen reinigen lassen und wie ihre verunreinigungs- und partikelfreien, haftungsmindernden Eigenschaften ausgeprägt sind [1].

Der Aufraggeber muss angeben, welches Erscheinungsbild – z.B. matt oder glänzend – gewünscht wird. Sofern nicht anders angegeben, wird normalerweise von einer glänzenden Oberfläche ausgegangen. Anderenfalls wird empfohlen, zwischen den Vertragsparteien Muster auszutauschen, die den vereinbarungsgemäßen Oberflächenzustand (oder dessen Bandbreite) festlegen. Erforderlichenfalls wird der Werkstoff zunächst einer mechanischen Schleif- und Polierbehandlung unterworfen, um nach dem Elektropolieren das gewünschte Erscheinungsbild aufzuweisen [7].

Soweit vereinbart, sollten die elektrolytisch zu glättenden und passivierenden Oberflächen bei Betrachtung aus einem Abstand von ca. 50 cm keine sichtbaren Schadstellen wie Grübchen, Rauigkeit, Streifen oder Verfärbungen aufweisen [8]. Stabilisierte nichtrostende Stähle wie die Sorten En 1.4541 oder 1.4571 sind für das Elektropolieren nicht geeignet.

Zu beachten ist, dass Schadstellen im Grundwerkstoff, z.B. Kratzer, Poren oder Einschlüsse, Aussehen und Funktion beeinträchtigen können.

4 Ra ist das arithmetische Mittel der Rauigkeitswerte, die über eine definierte Länge gemessen werden.

Informationen, die dem Elektropolierbetrieb angegeben werden müssen
- genaue Bezeichnung der norm, nach der das Elektropolieren vorgenommen werden soll [8], die Werkstoffnummer und die für die Prüfung des Werkstücks angewandte(n) Untersuchungsmethode(n).
- das zu erzielende Erscheinungsbild. Alternativ kann auch ein Muster vom Auftraggeber vorgelegt bzw. von ihm genehmigt werden.
- Bereiche des Werkstücks, die als Kontaktstellen dienen können.
- ggf. Abmessungstoleranzen gemäß Auftrag 5.
- Anforderungen hinsichtlich des Passivierungstests 6?
- Anforderungen an den vorzuliegenden Prüfungsbericht.

5 Üblicherweise werden während des Elektropolierens zwischen 5 und 10 μm Metall von der Oberfläche abgetragen. Zum Zweckdes zusätzlichen Glättens können es jedoch auch bis zum 50 μm sein. An Rändern und Ecken (d.h. Flächen mit erhöhter Stromdichte) ist der Abtrag erhöht, sofern sie nicht geschützt werden oder Hilfskathoden zum Einsatz kommen.
6 Weitere Informationen sind auch ISO-15730 oder ASTM-B912 zu entnehmen..

6 Typische Anwendungen

Rohrleitungsbau
Das Elektropolieren wird zunehmend für die Behandlung der innen- und Außenflächen von Rohrleitungen eingesetzt, zumal wenn fremdstoff- und partikelfreie, Mikroorganismen abweisende Oberflächen erforderlich sind. Zudem wird Reibung vermindert und eine metallisch reine Oberfläche erzielt. Hauptanwendungsgebiete sind die Erdöl-, Kern-, Pharma-, Halbleiter- sowie Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie.

Medizintechnische Anwendungen
Die Medizintechnik gehört zu den klassischen Anwendungsbereichen des Elektropolierens. Das Elektropolieren empfiehlt sich für Krankenhausausstattungen, chirurgische Instrumente oder andere medizintechnische Teile. Hierzu gehören Skalpelle, Klemmen, Sägen, Gefäß-, Knochen- und Gelenkimplantate, Prothesen usw., die vollständig und kontaminationsfrei zu reinigen sein müssen. Auch Gegenstände, die ionisierender Strahlung ausgesetzt sind und regelmäßig dekontaminiert werden müssen, sind typische Anwendungen für das Elektropolieren.

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Da Implantate und chirurgische Instrumente mit korrosiven Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen, werden sie elektropoliert, um höchste Korrosionsbeständigkeit aufzuweisen. Foto: Anopol, Birmingham(UK)

Halbleiterherstellung
Reinräume in der Halbleiterindustrie müssen frei von Partikeln und anderen Verunreinigungen sein. Das Elektropolieren ergibt optimale Metalloberflächen für Reinraumumgebungen, z.B. Arbeitsflächen, Sitze, Ständer, Verteilungssysteme für Gase und Flüssigkeiten, Abfallbehälter, Leuchtenbefestigungen, freiliegende elektrische Anschlüsse, Unterdruckkammern sowie Fertigungs- und Verabeitungsanlagen.

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Anhaftungen zu vermeiden, gehört bei Dosiereinrichtungen in der Pharmaindustrie zu den zentralen Anforderungen. Foto: Centro Inox, Mailand / Delmet, Gorgonzola (I).

Ebenso wie die Halbleiterindustrie sind auch Unternehmen der Pharmaindustrie auf hochreine metallische Oberflächen angewiesen. Heute sind die Innenseiten von Mischern, Zuführsystemen, Filtern, Sieben, Behältern, Trocknern, Zerkleinerern, Kühlschlangen, (Platten-)Wärmetauschern und anderen bedeutenden Ausrüstungsgegenständen normalerweise elektropoliert. In pharmazeutischen Anlagen stellt das Elektropolieren bei Risiken mikrobiologischer oder anderer Verunreinigung eine geeignete Gegenmaßnahme dar.

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Tanks für die Arzneimittelherstel- lung erfüllen nach dem Elektropolieren höchste Hygienestandards. Foto: Centro Inox, Mailand (I)

Öl- und Gasförderung
Neuerdings gehört auch die Energiewirtschaft zu den Anwendern des Elektropolierens. Mehr und mehr Bohrgestänge werden elektropoliert, vor allem für die Superpassivation zur Abwehr von Korrosion durch Sauergas. Im Übrigen werden auch in der Offshore-technik Anlagenteile wie Rohrleitungen, Pumpen, Ventile, Verdichter und Schutzrohre elektropoliert, um sie gegen Korrosionsbeanspruchungen durch salzhaltige Atmosphäre und Wasser zu rüsten.

Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie
Das Elektropolieren führt zu jenen gut reinigbaren und gleichzeitig ansprechend aussehenden Oberflächen, die in dieser Industrie gefordert werden; gleichzeitig vermeiden sie Verunreinigungen und bieten ein Höchstmaß an Hygiene. Das Verfahren vermindert Oxidation und Verschmutzung von Teilen aus nichtrostendem Stahl in Küchen, der Milchwirtschaft und der maschinellen Lebensmittelverarbeitung. Insgesamt wird eine vollständig reine Oberfläche erzielt, die ein Höchstmaß an Schutz gegen Bakterienbesiedlung und Produktanhaftungen bietet.

Wasseraufbereitung
Bei der Wasseraufbereitung und der Destillation dient das Elektropolieren dem Ziel, die Korrosionsbeständigkeit des nicht- rostenden Stahls zu optimieren und bakterieller Kontamination entgegenzuwirken, die in derartigen Systemen möglich ist. Filter, Siebe, pumpen und Ventile, Verdichter und Rohrleitungen sind typische Beispiele.

Papierherstellung
In der Papierindustrie sind Leitungen für Papierbrei sowie der Stoffauflauf Anlagenteile, die oft elektropoliert werden.

Straßenmöbel
Durch Verringerung der Mikrorauigkeit vermindert das Elektropolieren die Anfälligkeit für Schmutzanhaftungen und erleichtert das Entfernen von Graffiti.

Euro Inox
Links: Schon 20 Jahren zeigen geschliffene und elektropolierte Oberflächen unterhaltsfreundlich (Euro Inox, Brüssel (B) / Rheinbahn AG, Düsseldorf (D)); Rechts: Graffiti lässt sich leichter entfernen (Packo Inox Surface Treatment, Diksmuiden (B))

7 Glossar

Aktivieren
Aufhebung des passiven Oberflächenzustandes

Ätzen
ungleichmäßige Auflösung einer metallischen Oberfläche

Austrag
Verlust von Flüssigkeit durch Entnahme der darin behandelten Gegenstände

Badverschleppung
Eintrag einer Flüssigkeit in eine Lösung durch die darin eingetauchten Gegenstände

Beizen
Entfernung von Oxiden oder anderer Verbindungen von einer metallischen Oberfläche durch einen chemischen oder elektrochemischen Prozess

Elektrolytlösung
elektrisch leitendes Medium – zumeist eine wässrige Lösung von Säuren, Basen oder gelösten Salzen eines Metalls

Elektropolieren
Erhöhung von Oberflächenglätte und -glanz durch anodische Schaltung in einer geeigneten Lösung

Entfetten
Entfernung von Ölen und Fetten von einer Oberfläche

Entgraten
Entfernung von scharfen Kanten und Graten auf mechanischem, chemischem oder elektrochemischem Weg

Galvanisieren
Anlagerung einer festhaftenden metallischen Schicht auf einem Substrat mittels Elektrolyse mit dem Ziel, eine Oberfläche mit Eigenschaften oder Abmessungen zu erzielen, die sich von jenen des Substratwerkstoffs unterscheidet

Gasen
Bildung von Gasen, die während der Elektrolyse von einer oder mehreren Elektroden ausgeht

glänzende Oberfläche
gleichmäße, glatte und stark reflektierende Oberfläche

Glätten
Glättung einer Oberfläche durch Reiben unter druck ohne nennenswerten Materialabtrag

Hilfskathode
Kathode, die so angeordnet ist, dass sie einen teil des Stromes von jenen Werkstückteilen ableitet, die ansonsten einer zu hohen Stromdichte ausgesetzt wären

Hochglanzpolieren / Schwabbeln
Glättung einer Oberfläche mittels einer rotierenden Polierscheibe unter Verwendung feiner Schleifpartikel, die in eine Emulsion in Form einer paste oder eines Fettstiftes eingebunden sind. Anm.: fein polierte Oberflächen entwickeln einen mittleren bis spiegelgleichen Glanzgrad ohne erkennbare Schliffspuren auf der Oberfläche

Korb
Halterung, die während des Elektropolierens bzw. Galvanisierens oder anderer elektrochemischer Vorgänge das Werkstück hält und Strom darauf überträgt

Euro Inox
Auch große Anlagenteile wie z.B. Polymerisationsreaktoren lassen sich elektropolieren. Foto: Poligrat, München (D)

Messfläche
Oberfläche, die zur Prüfung auf die Einhaltung von einer oder mehreren Anforderungen herangezogen wird

Oberflächenbehandlung
Behandlung zur gezielten Veränderung einer Oberfläche

Oberflächenzustand
Erscheinungsbild einer Beschichtung oder des Grundwerkstoffes (z.B. glänzend, matt, seidenmatt)

Passivieren
Herstellung eines passiven Oberflächenzustandes auf der Oberfläche eines Metalls oder einer metallischen Beschichtung

Polieren, mechanisch
Glättung einer metallischen Oberfläche durch Verwendung abrasiv wirkender Teilchen, die auf die Oberfläche einer – zumeist schnell rotierenden – Schleifscheibe oder eines Endlosbandes geklebt sind

Reinigen
Entfernung von Fremdstoffen, z.B. Oxiden, Anlauffarben, Öl usw.

  • alkalische Reinigung
    Reinigung mittels einer alkalischen Lösung

  • anodische Reinigung
    elektrolytische Reinigung, bei der das Werkstück kathodisch geschaltet ist

  • elektrolytische Reinigung
    Reinigung, bei der ein Gleichstrom durch einen Elektrolyten geleitet wird, wobei das zu reinigende Werkstück eine der Elektroden darstellt

  • Säurereinigung
    Reinigung mittels einer sauren Lösung

Schleifen Materialabtrag von der Oberfläche eines Werkstücks mittels Schleifmitteln, die auf einen festen Träger aufgebracht oder darin eingebettet sind, wobei fortschreitend vom Grobschliff zum Feinschliff vorgegangen wird

seidenmatte Oberfläche
gleichförmige Oberflächenbeschaffenheit von feiner Struktur ohne erkennbare konturierte Reflexe

Stromdichte
Verhältnis der Stromstärke an der Oberfläche einer Elektrode zur Größe dieser Oberfläche. Anm.: die Stromdichte wird häufig in A/dm2 angegeben

tiefmatte Oberfläche
Oberflächenbeschaffenheit, die durch die Abwesenheit von gerichteten oder diffusen Spiegelungen gekennzeichnet ist

Zunder
der Metalloberfläche anhaftende Oxidschicht; dicker als die oberflächenschicht

8 Literatur

[1] www.delstar.com, ‘’Electropolishing, A User’s Guide to Applications, Quality Standards and Specifications’’, 2003
[2] http://www.kepcoinc.com/?page=serviceselectropolishing, kalamazoo Electropolishing company, ‘’What is Electropolishing?’’
[3] http://www.abccorporate.com, Allegheny Surface Technology, ‘’Electropolishing’’ [4] http://www.ableelectropolishing.com/electropolishing_workbook.pdf, Able Electropolishing, ‘’Looking for Solutions to Metal Surface Problems?’’
[5] http://www.electropolish.com/pubs/process_steps.pdf, ‘’The MCP System of Electropolishing, General Process Steps’’
[6] MOHAN, S., KANAGARAJ, D., VIJAYALAKSHMI, S., RENGANATHAN, N. G., ‘’Electropolishing of Stainless Steel – a Review’’, Trans IMF 79, No.4, 2001
[7] ASTM B 912-02 Standard Specification for Passivation of Stainless Steels Using Electropolishing
[8] ISO 15730: 2000 Metallic and other inorganic coatings – Electropolishing as a means of smoothing and passivating stainless steel

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  • Materialien